22March 2005
Ein kleines bisschen Horrorshow
Hey, hey, hey, hier kommt Alex, Vorhang auf für ein kleines bisschen Horrorshow…..
Robert zitiert immer wieder gerne die Worten, mit denen ich die Jackson-Stafford-Bay-Tour anpries: Nachdem wir gerade knapp 2000 Höhenmeter hinter uns haben, dachten wir eher an einen netten Strandspaziergang. Geht das für Dich OK oder ist Dir das zu lasch? Sonst können wir uns auch eine anspruchsvollere Tour überlegen. – Nö, nö passt schon, muss mich eh erst mal einlaufen!
Die Tour hörte sich nach einem richtigen Geheimtip an und die Beschreibung „Coastline: this unmarked route is only possible with a low tide and calm seas. Route finding skills required.“ klang definitiv machbar. Andreas hatte sich beim DOC informiert, wann denn am nächsten Tag Ebbe sei und welche Stelle evtl. kritisch sei. Ute und ich haben am nächsten Tag vorsichtshalber noch mal nachgefragt, da gerade die Umstellung von daylight saving time auf Normalzeit erfolgt war. Gleiche Aussage: 14.47 Uhr. Nachdem es sich zwei Tage so richtig ausgepisst hatte, starteten wir bei strahlend blauem Himmel Richtung Jackson Bay.
Jackson Bay -> 4h (via coastline) -> Stafford Hut (6 bunks) -> 5 h (via inland) Jackson Bay
Wuchernder Regenwald
Gleich zu Trackbeginn stand das obligatorische Schild „suitable for fit, experienced and properly equipped people”, zu denen wir uns natürlich zähl(t)en. Wir hatten noch 2,5 Stunden bis zur Ebbe. Bis zur Smoothwater Bay sollten es nur 1,5 Stunden sein, so dass wir uns im leuchtend grünen Regenwald ausgiebigen Foto-Sessions hingaben.
Sobald wir den Smoothwater River erreicht hatten, gab es zwei Optionen: entweder den High Water Track oder direkt im Fluss. Mit den High Water Tracks haben wir es nicht so. Nach 20 Metern bis zum Knie im Schlamm haben wir uns für die „saubere“ Variante durch den Fluss entschieden. Für Robert war dies der erste neuseeländische Track und so zögerte er anfangs mit den Wanderbotten durch den Fluss zu waten .
Pünktlich zur Ebbe hatten wir die Smoothwater Bay erreicht, laut Beschreibung sollte das schwierigste Stück nicht lange auf sich warten lassen (one of the most difficult sections is a few hundred metres past the Smoothwater).
Ein netter „Strandspaziergang“
Kaum hatten wir den Strand erreicht fielen die Sandflies auch schon über uns her. Bis Ute und ich von TEWAS auf geschlossene Schuhe gewechselt hatten – der vermeintliche Sandstrand hatte dann doch eher Felsblockcharakter – hatten sich die Biester ausgiebig an unserem Blut gelabt.
Schon nach den ersten 15 Metern Felskletterei über riesige Boulder hatten wir Salzwasser in den Schuhen. Utes Frage „Hei, wollen wir wirklich weiter, wenn uns hier schon zur low low tide das Wasser bis zum Hintern reicht“ blieb unbeantwortet in der Luft hängen…..
Zum Glück wurden die Felsen immer kleiner, so dass wir schneller voran hüpfen konnten und dachten, dass wir in einer Stunde durch dieses Stück durch sein müssten. Wir waren nicht wirklich entspannt, da wir wussten, dass es sowohl am Anfang als auch am Ende der Homminy Cove einen problematischen Abschnitt gibt. Wenn man diese nicht mehr passieren kann, hängt man schlichtweg fest, während die Flut immer höher steigt und einem der Rückzug über die Steilwand nicht wirklich gegeben ist.
Ich bin ja echt der Oberschisser was Wasser und vor allem Gezeiten angeht, daher sprang ich im Eiltempo von Fels zu Fels. Eigentlich echt super schade so durchzuhasten, denn es gab abartig geniale Stein- und Felsformen an diesem Küstenstreifen.
We are fucked
Es fing mit ganz harmlosen Klettereinlagen an, steigerte sich langsam mit einer Verschneidung und endete an einer 5-Meter-Steilwand, darunter nichts als Meer. Ich blickte über die Kante und dachte nur SCHEISSE!! Ute bog um die Ecke und nach ihren Angaben meinte ich mit schreckgeweiteten Augen: Wir sind am Arsch! Hier kommen wir nicht weiter!!! Ute warf auch einen Blick über die Kante und nach altgewohnter Manier Oh neeee! Unter uns befand sich eine 5-Meter-Abbruchkante, die sich nicht Abklettern ließ. An anderer Stelle konnte man zwar bis zum Meer hinunterkraxeln, doch es war klar, dass es dort sehr tief war. Wie im Leben sollen wir denn hier unsere Rucksäcke, insbesondere die Schlafsäcke, trocken rüber bringen??? Irgendwann werden selbst all die in Plastik- und Mülltüten eingepackten Gegenstände vom Meerwasser geflutet. Ute meinte, schau doch mal, ob man da oben rüberkommt. Es war kein Problem noch weitere 5 Meter hochzuklettern, aber queren konnte man hier oben auch nicht.
In der Zwischenzeit waren Andreas und Robert an der Schlüsselstelle eingetroffen und Andreas erkannte sofort: die Stimmung sinkt drastisch! Er zögerte nicht lange, schnallte seinen Rucksack ab, kletterte an der leichteren Stelle bis zum Meer und ließ sich ins Wasser gleiten. Wir hörten noch mal sehen wie tief das ist, bevor er komplett untergetaucht war.
Er schwamm um die Ecke bis zum 5-Meter-Steilstück und meinte gebt mir die Rucksäcke runter, ab hier können wir eine Kette bilden, hier ist es nicht mehr ganz so tief. Ich hangelte so weit runter, wie ich meinte, dass ich keinen ungewollten 5 Meter-Satz mache und reichte nacheinander die Rucksäcke so weit als möglich runter, die Andreas unten auffing, ohne von ihnen erschlagen zu werden.
Ute schwamm als nächstes, dann Robert, dann ich. Das Wasser war eiskalt und uns blieb allen erst mal die Luft weg als wir hineinsprangen. Erstaunlicherweise schafften wir es tatsächlich mit vereinten Kräften alle Rucksäcke trocken über diese Stelle hinwegzuhieven. Zum Glück war es ein relativ warmer Tag, so dass wir uns in unseren triefenden Klamotten nicht komplett einen abschlotterten. Ohne dass ihn einer von uns ausgesprochen hätte, hatten wir wohl alle den gleichen Gedanken: war dies die geflutete Stelle oder würden noch mehrere dieser Art folgen? Zu Eurer Beruhigung, das härteste lag hinter uns…...
Also ihr Daheimgebliebenen: In Neuseeland kann man vielerorts Swimming with dolphins buchen, bei uns könnt ihr Euch für Swimming with backpack anmelden!! Bookings essential!!
Wer hat die Machete vergessen?
Nach 2 Stunden Felsengarten hatten wir zum ersten mal Sandstrand unter den Füßen! Wie schön!! Wir versuchten alle irgendwelche Markierungen am Ende der Bucht zu entdecken. Es sollte einen Pfad über den Hügel geben, der einem die Umgehung des nächsten Landzipfels erspart (The headlands on either side of Homminy Cove should be crossed following the roughly marked routes across their necks – narrowest part of the headlands). Wie Sie sehen, sehen Sie nichts! Während Robert auscheckte, ob man meerseitig doch rumkommt und ich mit Andreas eine Gebüscherkundungstour auf den Hügel unternahm, rauchte Ute eine After-Shock-Zigarette. Wir entschieden uns für die Hügelvariante. Nur noch schnell vorher eine Runde von Roberts Bushmen-Spray, in der Hoffnung dass sich die Sandflies von 3 Millionen auf ein paar Tausend reduzieren lassen. Ich dachte, ich werd irr; man kann gar nicht so viel fuchteln, wie die Biester einen stechen.
Oben angekommen bot sich folgender Anblick: erst mal 3 Meter senkrechtes Nichts. Also wieder Andreas voraus und die Rucksäcke hinuntergeworfen. Ute setzte sich auf die letzte Ministufe und war nicht wirklich erpicht darauf, den Schritt ins Nichts zu tun. Andreas meinte Dreh Dich um und halt dich an den Grasbüscheln – also an deren Wurzeln! – fest. Das hält schon! Außer Grasbüscheln gab es nichts zum Halten, da alle Äste und Bäumchen so morsch waren, dass sie schon beim bloßen Anblick abbrachen. Nicht dass Ute Andreas Worten wirklich glaubte, aber was blieb ihr übrig? Als Robert als letzter abschlitterte, hielt die letzte Ministufe nicht mehr und Ute und ich verschwanden in einem Dreckregen, Andreas machte einen 2 Meter-Satz in die Tiefe und Robert schaute verdutzt nach unten. Die nächsten, die diesen Weg wählen, haben nun einen 5-Meter-Sprung vor sich. Wir schafften es alle wohlbehalten – wer wird denn hier die Kratzer und blauen Flecken zählen? – auf den nächsten Strand.
Der Abstecher über den Hügel bot uns nicht nur einen phantastischen Ausblick über die Küste, sondern auch die dringend erforderliche Orientierungshilfe. Endlich konnten wir den Hügeleinschnitt sehen, in dem sich die Hütte befinden musste, auch wenn wir gleichzeitig sahen, dass es bis dorthin noch mal einen felsigen Abschnitt zu bewältigen galt. Und dort erwischte uns das Meer ein weiteres mal „eiskalt“.
Ein nur 4 Meter breiter Einschnitt stand komplett unter Wasser. Glücklicherweise erspähten wir nach jeder großen Welle ein paar Steine im Wasser, über die wir nur knietief im Wasser stehend hinüberspringen konnten. Leider waren wir nicht alle schnell genug. Wir sprangen zwar schnell genug über Steine, doch da man auf der anderen Seite nicht direkt hochklettern konnte, sondern um den Fels rum musste, erwischte fast jeden von uns genau an diesem Punkt eine große Welle, so dass wir doch wieder bis zum Bauch im Wasser standen. Die letzte zu umgehende Ecke lag vor uns. Ute und ich blickten uns an und dachten beide dasselbe: bitte keine Schwimmeinlage mehr!!!! Wer immer uns erhört hat, wir waren verdammt dankbar!!!!!
Während Ute schon mal den letzten Strand weiterlief, wartete ich auf Robert und Andreas, die die allerletzte Kletterstelle noch bewältigen mussten. Robert, der schon vor Stunden eine Pause machen wollte, ich aber nicht anhalten wollte bis „wir aus der Gefahrenzone sind“, hat sich extrem wacker geschlagen. Hätte er es nicht gesagt, ich hätte nicht gemerkt, dass er mit Höhenangst zu kämpfen hatte!!
Mit der untergehenden Sonne erreichten wir die Stafford Hut. Wir waren mehr als glücklich als wir zwei Personen erblickten und damit wussten, die Hütte muss um die Ecke sein! Wir verbrachten einen sehr lustigen Hüttenabend mit diesen beiden. Sie waren vor zwei Tagen über den Inland Track zur Hütte gewandert und hatten statt der angegebenen 5 Stunden über 8 gebraucht, und das bei strömendem Regen!! Als sie die rabenschwarze Nacht umfing und sie irgendwann gar keinen Weg mehr hatten, sahen sie sich schon not-campieren. Kein Spaß in komplett nassen Klamotten!! Zum Glück haben sie die Hütte noch gefunden. Die Zeitangaben des DOC sind bei diesem Track wirklich mit Vorsicht zu genießen. Wir waren statt 4,5 Stunden auch 7 unterwegs gewesen. Doch das allerbeste war das Schild an der Stafford Hut: „3 hours to Jackson Bay (via inland or coastal track)“. Nie im Leben ist das in 3 Stunden zu schaffen!!!
Folgen Sie dem Flussbett
Wir brachen am nächsten Morgen – für unsere Verhältnisse – früh auf. Wer weiß, wie lange wir für den Inland Track benötigen werden. Ein paar zusätzliche Routeninfos hatten wir noch von den beiden Engländern erhalten.
Als die erste Querung des Stafford Rivers anstand meinte Robert zu mir Meinst Du, wir queren heute wieder so viele Flüsse oder lohnt es sich die Schuhe dieses Mal auszuziehen. Ich musste grinsen, allein den Stafford, werden wir noch mindestens 5 mal queren. Du kannst die Schuhe getrost anlassen. Es wird ein nasser Tag werden!
Netterweise gab es eine nicht zu übersehende Wegmarkierung als wir links abbiegen mussten. Nicht dass es hier auf einem Pfad weitergegangen wäre, wir waren nur beruhigt, dass wir am richtigen Fluss (!) abgebogen waren. Diesen würden wir im direkt im Flussbett die nächsten 1-2 Stunden hoch waten (folllow the creek upstream using the creek-bed as the route. Because of the windfalls in the stream bed it might be easier to follow the true left bank). Irgendwann ging uns dann auch ein Licht auf, was windfalls bedeutet. Windbruch!! Im Fluss lagen etliche Baumstämme über die wir mal drüberkrabbelten, mal unten durch krochen! Die Umgehung durch das Buschwerk am Ufer hätte sicherlich 10 Mal so lange gedauert. Äußerst beruhigend fanden wir alle die rosa Geschenkbendel, die immer wieder in den Bäumen hingen. Ist doch gut zu wissen, dass man auf dem richtigen „Fluss“ ist!
Am Ende des Flusses führte tatsächlich ein gut sichtbarer Pfad über den Sattel zurück zum Smoothwater River, durch den wir noch 20 Minuten patschten, bis wir an unsere altbekannte Kreuzung kamen. Wow, das war echt ne Tour!!
Hilfe, wir werden gefressen!
Nach dem Sandfly-freien Inland Track fielen die Plagegeister in der Jackson Bay gleich wieder in Schwärmen über uns her. Während Ute und ich gleich hektisch zu no bite griffen, schienen sich Robert und Andreas an den Biestern nicht zu stören. Auf jedem ihrer Füße saßen mindestens 50!!
Während Andreas doch noch zur Chemie griff, meinte Robert, so schlimm können die Stiche ja gar nicht sein. Im Auto fielen dann alle 300 Sandflies über Robert Füße her, die einzig nicht Chemie-behandelte Haut. Da begann der Gute dann doch gefährlich zu zappeln und wir schlitterten von einem Straßengraben zum anderen.
Wir haben alle unsere Stich-Packung abbekommen, aber Robert wird nach einer durchkratzten Nacht wohl nie mehr behaupten, dass Sandflystiche nicht schlimm sind. Er wurde seitdem nur noch mit einem Fläschchen Bushmen-Repellent gesehen .
Müde und hungrig sind wir in die nächstbeste Kneipe gestolpert. Homer Simpson hoch vier: chiiiicken, fooood, beeeer!!!!!
May 11th, 2005 at 06:41
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Hi,
ich bin ein sehr guter Kumpel von Robert und wir haben schon die eine oder andere Wandertour zusammen gemacht, aber das klingt echt nach der Krönung.
Der Bericht ist sehr gut geschrieben, vielen dank für die Mühe, klingt so, als wäre ich gerne dabei gewesen, aber wer hat schon soviel Urlaub. *gg*
Noch viel Spaß und passt auf euch auf.
Gruß aus München,
Mighty