31January 2005
Arthur’s Pass National Park
Arthur’s Pass besteht nur aus ein paar Häusern, wovon die Hälfte Backpacker und die andere Hälfte ein kleiner Laden sowie die Bar sind. Eigentlich wollten wir unsere Wertgegenstände im Backpacker lassen, doch da es dort nur eine reine Abstellkammer gab, die jeder betreten konnte, bereitete uns das etwas Bauchschmerzen. Schließlich hörten wir von Schließfächern. Diese sind zwar alles andere als einbruchssicher, doch sie gaben uns ein gutes Gefühl und das genügt ja schließlich!
Obwohl wir früh am Lake Pearson gestartet waren, war es doch 12 Uhr bis wir endlich Richtung Avalanche Peak loskamen. Es brauchte seine Zeit bis wir uns beim DOC eine Karte besorgt, den Wetterbericht studiert sowie unsere Siebensachen sortiert und verstaut hatten…... Doch nun ging’s los. Zwei-Tages-Tour zum Aufwärmen der Steigmuskeln.
Over Avalanche Peak to Crow Hut
25 Kilometer in 2 Tagen
Arthur’s Pass Village (800m)—> 2-3 h (over Scotts Track)—> Avalanche Peak (1.833m)—> 2-3h—> Crow Hut (10 bunks, 1.000m)—> 3-4 h—> Klondyke Shelter (750m)
Wir hatten uns für die sanfte Aufstiegsroute über den Scotts Track entschieden. Lang gestreckte Serpentinen durch einen Buchenwald, hier und da mit Ausblick auf einen riesigen Wasserfall. Doch die Serpentinen endeten abrupt, sobald wir die Baumgrenze (1.200m) erreicht hatten. Nun ging es durch tussock (=Grasbüschellandschaft) – ganz in Kiwi-Manier – auf direktem Weg zum Gipfel. Mann war das steil, wie sieht da nur der andere Zustieg aus? Mit unseren großen Rucksäcken beineideten wir all diejenigen, die uns mit einem leichten Tagsrucksack entgegen kamen. Doch wir wussten wofür: auf einer Hütte zu übernachten ist tausendmal besser als am Abend wieder im Dorf zu sitzen (die Geschmäcker sind nun mal verschieden ). Zum Glück waren ein paar Wolken am Himmel, sonst hätten wir uns die Seele aus dem Leib geschwitzt. Perfektes Timing, mit dem Erreichen des Gipfels ließ sich auch die Sonne blicken und wir genossen das 360°-Panorma mit Mt. Rolleston (2.275m) und dem Crow-Gletscher.
Ein besonders frecher Kea nutzte sogleich meine nur Sekunden andauernde Unaufmerksamkeit. Aus dem Deckel meines Rucksacks lugte eine Plastiktüte mit unserem Käse und der Salami und ich konnte gar nicht so schnell reagieren wie diese auf einmal in den Himmel entschwebte. So ein Biest!
Geröll-Surfen
Von hier oben konnten wir gut orientieren, welchen Grad wir lang laufen mussten. Schon im DOC hatten sie uns gewarnt: steigt auf gar keinen Fall zu früh ab. Erst bei den beiden Stöcken über das Geröllfeld ins Crow-Tal absteigen. Die vermeintlichen Abkürzungen enden alle über Steilabhängen und sind anscheinend schon etlichen Wanderern zum Verhängnis geworden.
Die Gratwanderung war eine erholsame Abwechslung nach dem Aufstieg und wir gaben uns beide nicht der Illusion hin, dass der Schotter-/Geröllabstieg ein Spaziergang werden würde. Nach einer Stunde hatten wir die beiden Stöcke erreicht und warfen einen Blick ins Crow-Tal, yip, das Geröllfeld war verdammt steil. Es sah es gar nicht so tief aus bis ins Tal, doch der Blick in die Karte sagte etwas anderes: 500m. Kaum vorstellbar. Na dann, nichts wie rinn in das Vergnügen!
Für alle, die nicht viel wandern: So ein Schotterfeld kann richtig Spaß machen, da man fast wie beim Skifahren durch den Schotter abfahren kann. Schön die Hacken in den Schotter, rutschen, nächste Hacke rein, rutschen, usw. Je weiter man sein Gewicht von der Hacke nimmt, desto schneller schießt man Hang hinunter. Allerdings setzt das voraus, dass man ein Meer kleiner Schottersteinchen vorfindet. Enthält der Schotter hingegen viel Geröll, bremst das einen abrupt ab, so dass man Gefahr läuft, sich zu überschlagen.
Dieses Schotter-/Geröllfeld war eher von der problematischen Sorte und nicht extra für uns durch das Kieswerk aufgewertet. Nach anfänglichem Supergleiten wurde es immer biestiger. Die großen Brocken schossen einem von hinten in die Waden und ab und zu musste man aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeit einen Not-Wipe-Out hinlegen. Dann ging es wieder nur im Schneckentempo voran, da sich die Riesenbrocken nicht so einfach und gleichmäßig in Bewegung setzen ließen.
„Schotterabfahrt“ oder die Stöckelschuh-Phase
Während Chris als Bergprofi und mit Stöcken bewaffnet mehr oder weniger den Hang hinunterwedelte, stellte sich bei mir nach nur hundert Metern das Gefühl ein, dass ich zur Linken auf Stöckelschuhen unterwegs bin. Ein Blick verriet mir schnell, dass sich die Sohle meines linken Schuhs dafür entschieden hatte, sich selbständig zu machen, d.h. sich nach und nach, von der Hacke an abzulösen begann. Dabei hatte sich ein größerer Stein unter die Sohle geschoben, um mich mit einem Schlag auf meine Wunschgröße von 180cm aufzupusten. Ich entfernte den Stein. Das Spiel konnte ich dann alle 40m erneut spielen. Dabei konnte ich auch zusehen, wie Ablöseprozess der Sohle kräftig voranschritt. Na Super, wozu braucht man in so einem Gelände auch Sohlen!
Der Schotter wollte dann auch wirklich keine Ende nehmen. Chris, die weit vor mir war, zeigte als bisher fehlender Größenvergleich auch immer wieder an, was wir vorher nicht sehen konnten: das Ding war unglaublich lang!! Und es nahm keine Ende! Nach den ersten 400 Metern mussten wir erst mal verschnaufen und eine qualmen. Mann, so langsam reicht es aber mit dem Geröll! Poah, irgendwann war es dann geschafft!
Nice suprise
Unten angekommen war es nicht mehr weit bis zur Hütte. Da kein Pfad existierte, schlenderten wir durch das trockene Flussbett bis zur Crow Hut. Diese 20min waren dann wirklich peanuts. Da machte es dann auch nichts mehr, dass sich meine linke Sohle schon zur Hälfte abgelöst hatte.
Wir hatten beide Gelüste auf ein Bierchen, um den letzten Staub des Geröllfeldes hinunterzuspülen. Ein Wunder! In der Hütte stand tatsächlich eine vereinsamte Dose Canterbury Draught. Da wir die Hütte komplett für uns hatten (!), schnappte sich Andreas sogleich die Dose und bettete sie im kalten Gebirgsbach. Dicken Dank dem edlen Spender, es war ein Hochgenuss!
Die Badelatschen-Phase
Wir brachen erst gegen Mittag auf, da nur 3-4 Stunden zum Klondyke Shelter angegeben waren. Der Weg führte abwechselnd durch ein trockenes Flussbett, dass sich nach und nach mit dem Wasser der Seitenflüsse füllte, und durch den Wald. Das für Bergschuhe so „ungewohnte“ Terrain, sorgte dann auch bei Andreas rechtem Schuh für erste Ausfallerscheinungen. So lief er nun mit zwei Schuhen herum, die sich langsam ihrer Sohlen entledigten. Nach zwei Stunden lieferten sich die Sohlen ein Rennen: wer schafft es als erster sich komplett vom Schuh zu lösen. Flip-Flop-Flip-Flop … er fühlte sich wie auf Badelatschen. Irgendwann musste er dann allerdings in das lustige Spiel eingreifen und band die Sohlen mit den Schnürsenkeln nach oben. Das war der Seitenstabilität zwar ein wenig abträglich, aber so ging es dann zum einen wieder schneller voran und zudem verringerte es die Wahrscheinlichkeit, das Ende des Tracks barfuss bewältigen zu müssen.
Die Stelle zur Querung des Crow-Flusses war mit einem Stock markiert und bereitete uns keinerlei Schwierigkeiten. Flussquerungen können in Neuseeland durchaus zu einer Herausforderung, nach heftigem Regen auch zu einer ernsthaften Bedrohung werden. So gibt es mehrseitige Pamphlete die genau beschreiben, was man beim Queren von Flüssen beachten muss (hüstel, haben wir natürlich erst nach dem Track gelesen…. aber jetzt sind wir im Bilde….. und manche Sachen macht man ja auch intuitiv richtig…. wenn auch nicht alle….).
Sobald wir auf den Waimakariri-Fluss stießen, führte der Weg durch blühende Süßgräser(!)-Wiesen. Schnell noch zwei einfache Flusspassagen gequert und da wir dachten, dass wir demnächst das Klondyke Shelter erreichen würden, verspeisten wir die letzten Müsliriegel. Doch welch Fehleinschätzung!!! Das dicke Ende stand uns noch bevor!
Die einfachen Flussquerungen waren nicht die im Wanderführer beschriebenen, sondern zusätzliche. Und bis wir realisierten, dass wir den Waimakiriri-Fluss noch mal queren mussten, hatte er Halshöhe und eine beeidruckende Geschwindigkeit erreicht. Mist! Da half alles nichts. Wir mussten die Kieswüste soweit zurück, bis der Fluss passierbar war. Und das mit Andreas Flip-Flops, zwei tickenden Zeitbomben! Wir waren nicht mehr ganz taufrisch als wir 6 (!) Stunden nach Verlassen der Hütte Klondyke Shelter erreichten. Wir standen keine 5 Minuten an der Straße bis uns ein freundlicher Kiwi die letzten Kilometer nach Arthur’s Pass mitnahm. Erfreulicherweise hatten Andreas Sohlen dank Hochbindetaktik durchgehalten!